China: Wo ist Ai Weiwei?

Der international bekannte chinesische Künstler und Regierungskritiker Ai Weiwei, sein Freund und Assistent Wen Tao, sein Cousin und Fahrer Zhang Jingsong, seine Buchhalterin Hu Mingfen und der Designer Liu Zhenggang sind in China ohne Kontakt zur Außenwelt an einem unbekannten Ort inhaftiert. Ihnen drohen Folter und andere Misshandlungen.

FORDERN SIE DIE SOFORTIGE UND BEDINGUNGSLOSE FREILASSUNG VON AI WEIWEI, WEN TAO, HU MINGFEN, LIU ZHENGGANG UND ZHANG JINGSONG!

Füllen Sie jetzt das Formular auf der Seite von Amnesty International aus und senden Sie eine E-Mail an den chinesischen Justizminister.


Ai Weiwei wurde am 3. April am Pekinger Flughafen auf dem Weg nach Hongkong von der Polizei festgenommen. Seither befindet er sich in Haft. Seine Familie ist weder offiziell über seine Verhaftung noch über die Gründe für seine Inhaftierung oder seinen Aufenthaltsort in Kenntnis gesetzt worden. Am 6. April erklärten die chinesischen Behörden, dass gegen Ai Weiwei wegen mutmaßlicher Wirtschaftsverbrechen ermittelt werde. Seine Familie geht davon aus, dass die Behörden ihn aufgrund seines politischen Engagements festhalten.

Am 3. April nahm die Polizei auch Lu Qing, die Ehefrau von Ai Weiwei, sowie acht Angestellte und ehrenamtliche MitarbeiterInnen seiner Designfirma zur Befragung mit. Sie wurden am folgenden Tag wieder freigelassen.

Ai Weiweis Freund und Assistent Wen Tao wurde ebenfalls am 3. April in Peking festgenommen. Wen Tao war früher Journalist, musste seinen Arbeitsplatz jedoch aufgeben, nachdem er 2010 einen Artikel über einen Protest gegen den Abriss eines Künstlerdorfes in Peking geschrieben hatte. Die Buchhalterin von Ai Weiwei, Hu Mingfen, wurde am 8. April von der Polizei abgeführt. Seither hat niemand etwas von ihr gehört, vermutlich befindet sie sich ebenfalls in Haft. Am 9. April nahmen PolizeibeamtInnen in Zivil auch Liu Zhenggang mit. Der Designer arbeitet in der Firma von Ai Weiwei. Seine Frau meldete ihn als vermisst. Am 10. April nahm die Polizei Ai Weiweis Cousin und Fahrer Zhang Jingsong (alias Xiao Pang) fest.

Hintergrund

Die Inhaftierung von Ai Weiwei spiegelt eine beunruhigende Entwicklung im Zusammenhang mit der aktuell wieder zunehmenden Unterdrückung Andersdenkender wider. In den vergangenen Monaten sind bereits zahlreiche AktivistInnen inhaftiert worden.

Ai Weiwei stellt derzeit in der Tate Modern in London aus. Er war zudem an dem Design des als „Vogelnest“ bekannten Stadions in Peking beteiligt, in dem 2008 die Olympischen Spiele ausgetragen wurden. Ai Weiwei distanzierte sich später von den Olympischen Spielen in Peking mit den Worten: „Olympische Spiele, die ohne Freiheit und gegen den Willen der Bevölkerung ausgetragen werden, sind Unsinn, denn ein totalitäres Regime kann nicht Demokratie spielen. Harmonie und Fröhlichkeit sind dann nur vorgetäuscht“.

Am 17. Februar berichtete die in den USA ansässige chinesische Nachrichtenseite Boxun über einen anonymen Aufruf an alle ChinesInnen, am 20. Februar im ganzen Land Proteste zu veranstalten. Die Nachricht über den Aufruf verbreitete sich schnell über die chinesische Social-Network-Seite QQ sowie über Twitter und Blogs. Die Menschen wurden dazu aufgerufen, unter dem Slogan „Wir wollen Essen, wir wollen Arbeit, wir wollen Wohnungen, wir wollen Fairness“ auf die Straße zu gehen. Der anonyme Appell erfolgte nach dem Vorbild der „Jasminrevolution“ in Tunesien und den Protesten in der arabischen Welt.
Daraufhin sperrten die chinesischen Behörden den Zugriff auf verschiedene Internetseiten und Blogs, auf denen über die Proteste im Nahen Osten berichtet wurde. Zusätzlich war es nicht mehr möglich, mittels Suchmaschinen nach Begriffen wie „Ägypten“ zu suchen.

Seit dem 19. Februar wurden über 100 AktivistInnen, unter ihnen auch etwa zwölf prominente MenschenrechtsanwältInnen, festgenommen oder in irgendeiner Form unter Hausarrest oder Überwachung gestellt. Mindestens fünf Menschen sind offiziell unter dem Verdacht, gegen die Staatssicherheit agiert zu haben, festgenommen worden. Mindestens eine Person wurde zur Umerziehung in ein Arbeitslager gebracht. Darüber hinaus berichteten mindestens zwölf Anwältlnnen, sie seien kurzfristig inhaftiert gewesen und die Behörden haben sie unter Druck gesetzt, die Inhaftierten nicht zu verteidigen und die Polizei habe ihnen sogar verboten, Twitternachrichten über die Inhaftierten zu verschicken.

Ai Weiwei ist außerdem ein offener Unterstützer des Nobelpreisträgers und gewaltlosen politischen Gefangenen Liu Xiaobo.

2010 wurde Ai Weiwei daran gehindert, das Gerichtsverfahren gegen Tan Zuoren zu besuchen. Tan Zuoren ist ein Umweltschützer. Man hatte ihn inhaftiert, nachdem er angekündigt hatte, eine Liste der im Mai 2008 bei dem Erdbeben in Sichuan getöteten Kinder und einen unabhängigen Bericht über den Einsturz von Schulgebäuden während des Bebens veröffentlichen zu wollen. Er wurde später der „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ für schuldig befunden, da er den Umgang der chinesischen Behörden mit der Niederschlagung der Proteste 1989 auf dem Tiananmenplatz kritisiert hatte, und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Ai Weiwei wurde unmittelbar bevor er als Zeuge der Verteidigung im Tan Zuorens Gerichtsverfahren aussagen sollte, kurzzeitig in Haft genommen und von Sicherheitskräften brutal geschlagen.